Hallo Alexandra, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst ! Bitte stelle uns zu Beginn Dich und Dein Team bei workstation24-7 kurz vor:
Tatsächlich habe ich das Start up alleine und Nebenberuflich gegründet/aufgebaut. Ich selbst bin 34 und Dipl.-Ing. im Maschinenbau, aktuell auch noch bei der Continental in der Reifenentwicklung tätig. 2022 kam dann Daniel Drechsler hinzu, er ist 44 und wir sind auch bei Continental Arbeitskollegen, dort ist er als IT Projektmanager angestellt und ist für alle IT Projekte in der F&E verantwortlich.
Vielleicht möchtest Du uns Euer Startups, ganz zu Beginn unseres Interviews, kurz vorstellen ?
Mein Start Up workstation24-7 kann man als das Airbnb für Gewerbe verstehen, nun können alle Unternehmen branchenübergreifend nicht genutzte Flächen und Arbeitsbereiche stunden-, tage-, wochen- oder monatsweise untervermieten.
Welches Problem wollt Ihr mit workstation24-7 lösen?
Damit gehen wir den sogenannten unsichtbaren Leerstand an, also Immobilien, die zwar vermietet und voll ausgestattet, aber eben nicht ausgelastet sind. Die Idee hatte ich bereits 2018, mit der Pandemie wurde erstmals das Augenmerk auf die Auslastung von Gewerbeflächen gelegt und nun gewinnt die Thematik immer mehr an Komplexität. Unternehmen habe verstanden, dass Leerstand teuer ist und dass ihre Mitarbeiter wohl nie wieder 100% in Büro zurückkommen. Doch kaum ein Unternehmen betreibt Ressourcen- und Kapazitätsplanung für die eigenen Flächen.
Einige entwickeln hauseigenen Apps oder kaufen sich Software ein, dies hat genau da seine Grenzen wenn man plötzlich merkt, dass man kurzfristig mehr Arbeitsbereiche benötigt oder Überkapazitäten hat. Wir denken über die Unternehmensgrenzen hinaus. Sharing ist das Stichwort. Andere Branchen haben diese Problematik ebenfalls, es hat andere Ursachen, doch das Ergebnis, vollausgestattete Arbeitsbereiche sind zeitweise ungenutzt, ist das gleiche. Deshalb ist workstation24- 7 auch weltweit die erste Plattform, die branchenübergreifend arbeitet. Zudem ist nur mit diesem branchenübergreifenden Ansatz eine Mehrfachnutzung von Flächen möglich. Morgens Cafe, dann Coworking, abends Eventraum, um dies abzubilden bräuchte man zur Zeit mehrere Plattformen.
Und warum ist die Auslastung von Gewerbeflächen so wichtig? Zunächst einmal ist Leerstand teuer, es sind Ressourcen, die man vorhält, beheizt, reinigt,… und egal wie intelligent unsere Heizsysteme sind, Gebäude müssen mindestens temperiert werden, um im Winter Schäden zu vermeiden. Wie absurd ist das, wir heizen leere Flächen in einer Energiekriese! Doch was passiert, wenn mehrere Unternehmen Flächen kaufen oder mieten und diese nicht auslasten? Dem Immobilienmarkt wird ein Bedarf suggeriert, den es garnicht gibt, damit wird weiter gebaut, betoniert, versiegelt. Workstation24-7 arbeitet damit an 3 SDG Zielen und hat als Mission nichts anderes, als den CO2 Ausstoß durch die Baubranche zu senken, die Versiegelung von Flächen zu minimieren, im besten Fall sogar umzukehren und durch eine effizientere Nutzung von Gewerbeflächen mehr Wohnraum zu schaffen.
Wie ist die Idee zu workstation24-7 entstanden ?
Ich hatte meine Abschlussarbeit in einem Start Up geschrieben, dort war ich vorher als Praktikantin und später als studentische Hilfskraft tätig. Dieses hatte ein Investment bekommen und hatte große Pläne, Mitarbeiter einstellen, neues Büro, Skalierung… Doch die Realität kam dazwischen, das Recruiting für sehr spezialisierte Data Scientists dauerte länger als gedacht, damit saß ich 8 Monate alleine in einem Büro mit 6 komplett ausgestatteten Arbeitsbereichen, höhenverstellbare Tische, je 2 Monitore, sogar ein Kickertisch stand im Raum.
Schon da habe ich jedes Mal gedacht „was für eine Verschwendung!!!“ Was
sicherlich auch an meinem beruflichen Backround liegt, denn als Lean production Expertin (damals natürlich noch nicht^^), war mein Blick darauf geschärft so Ressourcen schonend wie irgendwie möglich zu agieren, sowohl privat wie beruflich.
Gleichzeitig war ich damals oft in Berlin und sah die Freelancer, die in Cafes an wackeligen Tischen, mit schlechtem WLAN und am besten mit einer Steckdose für alle, saßen und haben versucht zu arbeiten. Schon da habe ich mir gedacht, dass man die beiden Parteien eigentlich matchen müsste. Unternehmen, die zeitlich begrenzt Überkapazitäten haben und mobil arbeitende Menschen (ob Freelancer oder Geschäftsreisende), die zeitlich begrenzt eine professionelle Infrastruktur benötigen. Was das ganze Unterfangen für eine Tragweite hat, wie wir bauen und wie wir dadurch unsere Umwelt zerstören, das habe ich erst Jahre später begriffen.
Wie würdest Du Deiner Großmutter workstation24-7 erklären ?
Wir helfen Unternehmen, ihre nicht genutzten Flächen und Arbeitsbereiche unterzuvermieten.
Hat sich Euer Konzept seit dem Start irgendwie verändert ?
Nein, ein Pivot was bisher nicht notwendig.
Wie funktioniert Euer Geschäftsmodell ?
Einfacher geht’s eigentlich gar nicht, denn workstation24-7 arbeitet auf
Provisionsbasis. 15% Provision bei jeder Transaktion gehen an uns. Diese gehen von dem Anbieter ab. An dieser Stelle zitiere ich gerne eine Kundin, die mal meinte: „ich kann 100% verlieren durch den Leerstand oder 85% gewinnen durch die Untervermietung“
Wie genau hat sich workstation24-7 seit der Gründung entwickelt ?
Das Ziel war schon die ganze Zeit klar und der Weg dorthin ziemlich geradlinig. 2019 begann ich mit der Programmierung, am 1. Oktober 2020 war der Launch der Plattform, gleichzeitig erhielt ich dann das Gründungsstipendium der NBank. Leider direkt vor dem Lockdown, der Start war holprig, doch ich habe durchgehalten 2021 konnte ich dann einen 5 monatigen proof of Concept durchführen. Die Erkenntnisse daraus habe ich in technische Anforderungen übersetzt, sodass in den folgenden 6
Monaten an dem Relaunch gearbeitet wurde, während dessen ich an dem Founder Institute Accelerator im Sillicon Valley teilgenommen habe. Diesen habe ich im Mai 2022 erfolgreich abgeschlossen, im Juli 2022 wurde die Beta gelaunched und nun sind wir in der Wachstums und Skalierungsphase.
Wie groß ist Euer Startup inzwischen ?
Im Team sind seit 2022 insgesamt 3 Gründer, 3 Experten sitzen im Beirat, die Softwarefirma ITIDO begleitet uns seit 1,5 Jahren und unterstützt bei der Weiterentwicklung und Wartung der Plattform, sowie immer wieder wechselnd Praktikanten und studentische Hilfskräfte.
Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen ?
So einen richtigen Supergau gab es nie, es waren eher viele kleine zermürbende Dinge. Mieter bucht, kommt von Berlin nach Kiel angereist und steht vor verschlossenen Türen, der Vermieter hat die Buchung vergessen….
In dem Borek.digital Accelerator wurde mir 2021 von einem möchtegern Coach ersteinmal attestiert, dass ich eine schlechte Unternehmerin sei, weil ich den Lockdown nicht vorhergesehen habe. Dies ergab sich aus einer Unterhaltung, als ich im April 2021 gefragt wurde, warum ich denn keinen Umsatz habe bisher, ich sei ja schon seit Oktober 2020 am Markt. Als ich dann meinte, dass wir kurz vor dem Lockdown gelauncht haben, es zu dem Zeitpunkt aber weder für Politik, noch für die restliche Welt absehbar war, das die Zahlen so in die Höhe schnellen würden, hieß es, ich hätte es aber vorhersehen müssen. Bei der Bewerbung für einen anderen Accelerator im Jahr 2019 hieß es auf der Bühne vor versammelter Mannschaft: „Frau Felde, an ihrer Stelle würde ich das lassen, da sind schon viel fähigere Leute dran“. Das Gründungsstipendium wurde mir zunächst nicht genehmigt, mir wurde von der Nbank attestiert, dass ich gar nicht das Know How habe die bereits entwickelte und gelaunchte Plattform zu entwickeln. Erst als ich meinen damaligen Praktikanten, der IT studiert hat, dem ich eigentlich alles beigebracht hatte, mit in die Antragsskizze genommen habe, war für die Nbank genug IT Wissen nachgewiesen. Tja leider stellt, die Youtube academy noch keine Zertifikate aus, denn diese habe ich z.B. sehr erfolgreich besucht. Bis heute frage ich mich, ob das ein Frauending ist oder ob männlichen Maschinenbauingenieuren mit Arbeitszeugnissen aus IT Unternehmen (ich war 1,5 Jahre nach meinem Abschluss als Data Scientist und Softwaretesterin angestellt) auch mangelndes Know How attestiert worden wäre.
Fachlich ist recht wenig schief gegangen, aber in Deutschland und er deutschen Start Up Scene um so mehr.
Was habt Ihr daraus gelernt ?
Unsere Learnings: wir versuchen möglichst viel über die AGBs abzudecken, haben ein sehr hohes Qualitätsmanagement etabliert und arbeiten daran ISO zertifizierte Arbeitsbereiche kenntlich zu machen, damit auch Konzerne Arbeitsbereiche buchen können und sicher sind, dass alle gesetzlichen Standards abgedeckt sind. Vermieter und Mieter können bewertet werden, hat jemand 3 Mal hintereinander eine Bewertung schlechter als 2 Sterne, blockt das System diesen User automatisch.
Weitere Maßnamen folgen.
Zweiteres, naja, ich denke in Deutschland ist an dieser Front Hopfen und Malz verloren, so viele Absagen, wie ich zu Fördermitteln erhalten habe, kann ich mir mittlerweile ein Bildband erstellen. Da kann sich die Politik nicht gleichzeitig hinstellen und sagen wir brauchen mehr Gründerinnen aus dem MINT Bereich.
Übrigens, falls da mal Interesse an investigativem Journalismus besteht, mich würde es mal interessieren wie oft Frauengeführte Startups Fördermittel erhalten bei 10 Bewerbungen und wie oft männergeführte bei 10 Bewerbungen. Könnt mich dazu gerne informieren 😉.
Fakt ist ich bin eine Gründerin aus dem MINT Bereich, die ein Techstart UP gegründet hat, es ins Silicon Valley geschafft und gerade ihre erste Investmentrunde geclosed hat, damit ist mein Baby 1,25 Mio. wert. All das, alleine, nebenberuflich und mit Minus 55.000€ Startkapital (ich zahle den Studienkredit immer noch ab :-D), ich denke, ab jetzt ziehe ich einfach mein Ding durch und zeige es der Welt, um mich dann in die Reihe der unzähligen Milliardäre einzureihen, die „zu schlecht fürs Fernsehen waren“, „10 mal in Harvard abgelehnt wurden“, „12 Verlage das Buch erstmal abgelehnt hatten“. Mir gefällt die Vorstellung…
Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht ?
Ich denke, man kann das nicht an einem einzigen Punkt oder Situation fest machen, ich denke meine fast schon widerliche Hartnäckigkeit in vielen Dingen, sowie eine absurd große Ausdauer und Frustrationstolleranz waren die Haupterfolgsfaktoren.
Wie ist Euer Startup finanziert ?
Bis Q2 2023 habe ich das gesamte Projekt aus eigener Tasche finanziert, dafür war ich quasi die gesamte Zeit Vollzeit als Ingenieurin tätig. Ich habe jahrelang weiter auf Studentenniveau gelebt und alles, was an Geld übrig blieb in mein Projekt gesteckt und mich so von Monat zu Monat gehangelt. Irgendwann konnte ich die Programmierung nicht mehr alleine händeln und habe Softwarefirmen beauftragt, ich denke, ich nicht erläutern wie teuer dies ist. An dieser Stelle meinen Dank an VW und Conti für das indirekte Sponsoring ;-P. Insgesamt hatte ich 60.000€ in das Projekt gesteckt.
Ab Q3 2023 steht uns jetzt ein größeres Investment zur Verfügung.
Was sind Eure Pläne und Ziele für die nächsten 12 Monate ?
Zur Zeit haben wir knapp 50 Listings in 6 deutschen Städten, bis Ende des Jahres sollen alle ungenutzten, Büros, Meetingräume, Hebebühnen und
Salonarbeitsbereiche des Investors auf die Plattform, sodass 16 weitere Standorte vertreten sein werden , wir rechnen mit min. 200 Listings bis Ende des Jahres. Im nächsten Schritt wollen wir alle Mieter ansprechen, die in den Gewerbeimmobilien unseres Investors sind. In 12 Monaten rechnen wir mit 500 Listings deutschlandweit und etwas mehr als 300.000€ Umsatz.
Vielen Dank für das Interview