Hallo Ralf, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst! Bitte stelle uns zu Beginn Dich und Dein Team bei SeaTable kurz vor:
Im Juli 2020 habe ich zusammen mit meinem Bruder Christoph die SeaTable GmbH gegründet. Dabei übernehme ich als CEO die meisten vertrieblichen und betriebswirtschaftlichen Aufgaben, während Christoph sich als CTO eher um die technischen Fragen kümmert. Unser deutsches Team besteht mittlerweile aus 10 Mitarbeitern in Mainz und Berlin, die hauptsächlich im Marketing und Kundensupport tätig sind. Hinzu kommen unsere chinesischen Partner, die am Standort in Peking die Software entwickeln und in ihrem Team über 30 Mitarbeiter beschäftigen.
Vielleicht möchtest Du uns Euer Startup, ganz zu Beginn unseres Interviews, kurz vorstellen?
SeaTable ist eine No-Code-Plattform, die auf den ersten Blick so ähnlich wie Excel oder Google Sheets aussieht, aber wesentlich mehr Funktionen bietet, einfacher zu bedienen und flexibler in der Ausgestaltung ist. Im Endeffekt kann man in SeaTable all die Dinge tun, die man in anderen Tabellenkalkulationen und Datenbanken schon immer tun wollte: Dokumente erstellen, Prozesse automatisieren, effizient im Team zusammenarbeiten und Daten mit wenigen Klicks in Kalendern, Kanban-Boards oder Statistiken visualisieren. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs …
Welches Problem wollt Ihr mit SeaTable lösen?
In vielen Unternehmen etablieren sich über die Jahre ineffiziente Arbeitsprozesse, die jeden Beteiligten viel Zeit und Nerven kosten und trotzdem nicht mehr in Frage gestellt werden, solange das Tagesgeschäft irgendwie funktioniert. Teils laufen bestimmte Verfahren noch auf Papier ab, teils nutzen verschiedene Abteilungen umständliche Insellösungen oder Software, die sich gar nicht für ihren Anwendungsfall eignet.
Beispielsweise wird Excel gerne im Vertrieb als Kundendatenbank eingesetzt, im Marketing für Redaktionspläne oder in der Personalabteilung für die Arbeitszeiterfassung – und das, obwohl die Möglichkeiten für diese Anwendungen sehr begrenzt sind, da Excel weder eine Datenbank noch ein Kollaborationstool ist. Die Excel-Tabellen werden dann meistens noch per E-Mail herumgeschickt, von einer Person bearbeitet und schließlich wieder aufwändig zusammengeführt.
Mit SeaTable wollen wir zeigen, dass es besser geht. Als No-Code-Plattform ist SeaTable für alle Menschen geeignet, die sich ohne jegliche Programmiererfahrung in kürzester Zeit effiziente, leistungsfähige und kostensparende Lösungen bauen möchten. Dabei ist unsere Software so flexibel einsetzbar, dass sie in jedem Bereich Anwendung finden kann.
Wie ist die Idee zu SeaTable entstanden?
Die Idee stammt von unseren heutigen chinesischen Mitgesellschaftern, die wir 2017 durch einen glücklichen Zufall kennenlernten. Damals ging es darum, als weltweiter Vertriebspartner für die Filesharing-Lösung Seafile tätig zu sein, was wir auch heute noch parallel mit der datamate GmbH & Co. KG sind. Zwei Jahre später waren wir beide in Peking, um die weitere Zusammenarbeit zu besprechen, und wurden von unseren chinesischen Partnern in die Pläne für SeaTable eingeweiht. Die Idee: in einem deutsch-chinesischen Joint Venture SeaTable zu entwickeln und zu vermarkten. Während eines Spaziergangs am Ufer des Pekinger Houhai-Sees fiel für uns die Entscheidung, dass wir diese Idee umsetzen wollen.
Wie würdest Du Deiner Großmutter SeaTable erklären?
SeaTable ist wie eine digitale Lego-Kiste mit Software-Bausteinen – allerdings mit dem Unterschied, dass SeaTable keinen Bauplan vorgibt. Man kann ergebnisoffen drauflosbauen. Deshalb sehen die unzähligen Anwendungsfälle in SeaTable auch immer anders aus. Kurz gesagt: Jeder kann sich ohne Programmierkenntnisse sofort seine ganz individuellen Anwendungen in SeaTable zusammenklicken.
Hat sich Euer Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Das Grundkonzept hat sich nicht verändert, aber die Software entwickelt sich natürlich ständig weiter. Mittlerweile kann SeaTable in einer Tabelle mehrere Millionen Zeilen, also eine schier unendliche Menge an Daten erfassen, was bei anderen Produkten auf dem Markt nicht möglich ist. Auch sonst hat sich der Funktionsumfang von SeaTable in den letzten Jahren gewaltig erweitert.
Wie funktioniert Euer Geschäftsmodell?
In erster Linie stellen wir die SeaTable Cloud über das Internet bereit, da wir unsere Plattform möglichst vielen Menschen zugänglich machen möchten. Der Zugriff kann über jeden beliebigen Browser erfolgen und die Registrierung dauert nur eine Minute. Dank dieses denkbar leichten Einstiegs konnten wir seit dem Launch bereits mehr als 100.000 Cloud-Anmeldungen verzeichnen.
Mit SeaTable Free bieten wir ein kostenloses Abonnement an, das bereits alle Grundfunktionen von SeaTable enthält. Benötigt man mehr Ressourcen, kann man SeaTable auf die kostenpflichtigen Abonnements Plus und Enterprise upgraden, die höhere Limits und mehr Features wie Automationen und erweiterte Freigaben mit sich bringen. Eine weitere Option für größere Unternehmen ab 100 Nutzern ist die Dedicated Cloud, bei der wir SeaTable individuell für den Kunden installieren, konfigurieren und betreuen.
Die SeaTable Cloud wird in deutschen Rechenzentren des Schweizer Anbieters Exoscale gehostet. Dadurch sind die Daten bereits besser geschützt als bei vielen US-amerikanischen Anbietern, die nicht an die DSGVO gebunden sind. Darüber hinaus können Kunden SeaTable auch als On-Premises-Lösung auf ihren eigenen Servern installieren, um die Administration selbst zu übernehmen und die volle Datenhoheit zu behalten. Wir beraten unsere Kunden gerne und bieten für jeden Bedarf eine passende Option an.
Wie genau hat sich SeaTable seit der Gründung entwickelt?
Wir haben uns in einem umkämpften Markt behauptet und SeaTable als echte Alternative zu den gängigen Platzhirschen etabliert. Von Startups und KMUs bis hin zu namhaften Unternehmen und Institutionen vertrauen bereits Tausende Kunden auf SeaTable. Die Software hat sich so rasant entwickelt, dass sich mittlerweile viel anspruchsvollere Anwendungsfälle als früher abbilden lassen, die auch immer größere Kunden auf den Plan rufen.
Für Institutionen im öffentlichen Sektor ist SeaTable als sichere On-Premises-Lösung zudem besonders interessant: Aktuell läuft ein Innovationsprojekt mit der IT-Schule der Bundeswehr, dem Cyber Innovation Hub und dem Zentrum für Digitalisierung der Bundeswehr. Wir reden hier über sehr weitreichende Einsatzmöglichkeiten: Die Datenbanklösung auf Basis von SeaTable habe das Potenzial, die digitale Zusammenarbeit in der Bundeswehr zu revolutionieren, heißt es in einem von der Bundeswehr veröffentlichten Zwischenbericht.
Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Euer Startup inzwischen?
Mitarbeiterzahl, Umsatzzahl: (falls gewünscht)
Unser Team wächst und hat derzeit 40 Mitglieder.
Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Zum Glück ist bisher nichts bei SeaTable so richtig schiefgegangen, aber wir haben in der Vergangenheit oftmals Lehrgeld zahlen müssen. Zum Beispiel wollten wir Arbeit auslagern und haben mit externen Dienstleistern aus den Bereichen Personalvermittlung, Marketing und Vertrieb zusammengearbeitet, die unsere Erwartungen aber nicht erfüllen konnten.
Was habt Ihr daraus gelernt?
Heute rekrutieren wir unsere Mitarbeiter zu 100 Prozent selbst und geben auch im Marketing kaum noch Themen aus der Hand. Das ist authentischer und kommt draußen viel besser an. Der Erfolg gibt uns Recht: Mittlerweile haben wir es ohne externe Hilfe geschafft, qualifizierte Mitarbeiter für unser Unternehmen zu gewinnen, eine hohe Reichweite über eigene Marketingkanäle aufzubauen und mit einem leistungsstarken Vertrieb rasches Wachstum zu generieren.
Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir haben uns für einen rein europäischen Weg entschieden und damit einen Nerv getroffen: Denn der Software-Markt wird von Tech-Konzernen aus den USA beherrscht, die nicht an europäische Datenschutzbestimmungen gebunden sind. Für viele in Europa angesiedelte Unternehmen – insbesondere Institutionen im öffentlichen Sektor – ist dies ein nicht zu vernachlässigendes Kriterium bei der Einführung neuer Software-Lösungen. Indem wir auf die großen, bekannten Infrastruktur-Anbieter AWS, Microsoft, Google, Digital Ocean etc. verzichten, schaffen wir einen Mehrwert für Kunden, denen ein deutscher Serverstandort wichtig ist, und mit der On-Premises-Option heben uns vom derzeitigen Wettbewerb klar ab.
Wie ist Euer Startup finanziert?
Wir sind komplett eigenfinanziert und haben auf Investitionen von außen verzichtet. Dadurch können wir schnell und völlig unabhängig unsere eigenen Entscheidungen treffen. Es läuft gut und wir gewinnen stetig neue Kunden dazu, sodass SeaTable voraussichtlich in diesem Geschäftsjahr die Gewinnschwelle erreichen wird.
Was sind Eure Pläne und Ziele für die nächsten 12 Monate?
Unsere Vision ist, SeaTable als weltweit führende No-Code-Plattform zu etablieren, die sowohl in der Cloud als auch on-premises genutzt werden kann. Um dieses Ziel zu erreichen, werden wir SeaTable noch attraktiver und benutzerfreundlicher machen. Durch hochkarätige Entwicklungsarbeit möchten wir die Funktionen von SeaTable immer erweitern und die User Experience stetig verbessern. Besonders die Themen Big Data, Prozessautomatisierung und Integrationsoptionen werden künftig eine größere Rolle spielen. Darüber hinaus prüfen wir gerade in einem Projektteam, ob der Einsatz von künstlicher Intelligenz Sinn ergibt.
Vielen Dank für das Interview.